Sonntag, 2. Januar 2022

Meine dunkle Vanessa (Kate Elizabeth Russell)

Meine dunkle Vanessa (Kate Elizabeth Russell)
448 Seiten | € 20,00 [D] | Hardcover | Herzensbuch
Verlag: C. Bertelsmann | pustet.de

INHALT
Vanessa ist gerade fünfzehn, als sie das erste Mal mit ihrem Englisch-Lehrer schläft. Jacob Strane ist der einzige Mensch, der sie wirklich versteht. Und Vanessa ist sich sicher: Es ist Liebe. Alles geschieht mit ihrem Einverständnis. Fast zwanzig Jahre später wird Strane von einer anderen ehemaligen Schülerin wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt. Taylor kontaktiert Vanessa und bittet sie um Unterstützung. Das zwingt Vanessa zu einer erbarmungslosen Entscheidung: Stillschweigen bewahren oder ihrer Beziehung zu Strane auf den Grund gehen. Doch kann es ihr wirklich gelingen, ihre eigene Geschichte umzudeuten - war auch sie nur Stranes Opfer?

DER ERSTE SATZ
Ich mache mich für die Arbeit fertig, und der Post steht seit acht Stunden im Netz.

MEINE MEINUNG

Dass ich mich mit »Meine dunkle Vanessa« auf ein intensives und verstörendes Buch einlassen würde, war mir bewusst, schließlich hatte ich zahlreiche Rezensionen und Besprechungen gelesen. Doch dass es mich so vereinnahmen und fesseln, aussaugen und abhängig machen würde, das hatte ich nicht gedacht.

Vanessas Geschichte wird aus zweierlei Perspektiven erzählt. Zum einen aus Gegenwart heraus, Vanessa ist bereits 32 Jahre alt, berufstätig und alleinlebend, zum anderen aus ihrer naiven, jungen fünfzehnjährigen Sicht, Schülerin, die zehnte Klasse besuchend und einsam.

Es wird gezeigt, wie sich ihr Englischlehrer, Jacob Strane, Vanessa langsam nährt und als erwachsene Leserin war mir direkt bewusst, wie geschickt er dies macht. Manipulierend, sich stets auf der sicheren Seite wiegend, denn er suggeriert Vanessa, sie habe stets die Zügel in der Hand, ein „Stop“ würde genügen. Doch welches fünfzehnjährige Mädchen, das ebendiesen übergriffigen Lehrer anhimmelt, würde dies als Machtmissbrauch empfinden?

Auch wenn Vanessa stets spürt, dass etwas nicht richtig ist, ihr Stranes Handlungen (logischerweise!) zu weit gehen, so lässt sie sich doch stets auf das ein, was er anfängt. Nicht selten wollte ich das Buch, an dem explizit sexuelle Handlungen geschildert werden, zur Seite legen, angewidert und doch konnte ich mich genauso wenig dem Sog entziehen, wie sich Vanessa Strane entziehen kann. Während der Missbrauchshandlungen beschreibt die minderjährige Protagonistin oft, wie sie ihren Körper verlässt- sie dissoziiert um das Ganze überhaupt aushalten zu können.

Strane macht Vanessa emotional abhängig und ebendiese Abhängigkeit zieht sich bis ins Erwachsenenalter. Bei jeder Entscheidung, jeder Handlung bezieht sie gedanklich Strane mit ein. Wie würde er reagieren? Sie kann nicht ohne ihn auch wenn sie unterbewusst weiß, dass es absolut toxisch ist, den Kontakt zu ihm zu halten, ihn nach wie vor zu „begehren“ auch wenn offensichtlich ist, dass es Vanessas Kindlichkeit war die ihn anmacht, er ist ein Pädophiler, der dieser Neigung nachgeht, wohlwissend, wie er genau das bekommt was er will.

Des Weiteren finden sich in dem Buch viele Bezüge zu Nabokovs „Lolita“- Strane gibt Vanessa dieses zu Beginn ihrer Affäre und stellt so nochmals eine sicher, dass sie sich an ihn bindet. Er als Humbert, sie als Lo, sodass Vanessas Obsession und Abhängigkeit deutlich intensiviert wird. Dadurch, dass ich „Lolita“ vor einigen Jahren gelesen habe (und mir durch Nabokovs intensiver Erzählweise davon sehr viel im Gedächtnis hängen geblieben ist) hatte ich noch mehr Kontext.
Ob man weiß, wie sich die Handlung entwickeln wird? Ja und Nein. Ob man als Leser*in klar Position beziehen kann, was Vanessas Verhalten angeht? Ja und Nein. Dieser Roman hat so viele (Dunkel)Grauschattierungen, dass es schwer fällt sich zu entscheiden. Es ist eindeutig keine Liebesgeschichte, so viel ist klar, aber wie ist die Vergangenheit im Bezug auf die Gegenwart zu betrachten? Letztendlich muss man sich, wie Vanessa damit abfinden, dass manche Fragen nicht beantwortet werden können und manchmal die Wahrheit nie ans Licht kommt.

FAZIT
Das beste Buch, das ich bisher gelesen habe. Voller Intensität, Dunkelheit und einer metaphorischen Sprache. Vanessas Geschichte wird mich so schnell nicht mehr loslassen.

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