Montag, 15. Februar 2021

Es wird wieder Tag (Minka Pradelski)

Es wird wieder Tag (Minka Pradelski)
384 Seiten | € 24,00 [D] | Hardcover | 3,5 Herzchen
Verlag (Frankfurter Verlagsanstalt) | pustet.de

INHALT
Eisblumen am Fenster sind der einzige Schmuck bei der Trauung von Klara und Leon Bromberger im Januar 1946. Eine Feier ohne Familie, Klara und Leon sind die einzigen Überlebenden, nur eine goldene Armbanduhr ist als Andenken geblieben. Mit der Geburt ihres Sohnes Bärel – er ist das erste jüdische Kind seit Kriegsende, das in Frankfurt in einem katholischen Krankenhaus geboren wird – soll die Zeit endlich vorwärtslaufen. Doch dann, bei einem Spaziergang im Park, trifft es Klara wie ein Schlag: In einer kleinen, sichtlich schwangeren Frau erkennt sie Liliput, ihre ehemalige Oberaufseherin im KZ. Klara steht unter Schock, hört auf zu sprechen und Bärel zu versorgen. Ihr Mann ist verzweifelt, er sieht nur einen Ausweg: »Schreibe, Klara, schreibe. Bann das Böse auf Papier! Fessele es mit deinen Worten!« Und Klara wagt den Blick in den Abgrund, zurück ins Leben. Sie schreibt: über das elegante Schuhgeschäft ihres Vaters, die hübsche Pescha, das Ghetto Zamość und den hastigen Abschied von ihren Eltern, die Flucht, die seltsam blitzenden Augen der alten Piasecki, die verführerisch schöne Hanka und ihre Arbeit im Kasino in Radom, der Höhle des Löwen, über das Lager und Marthas glockenhelles, unvergessliches Ave-Maria – und über die zierliche, eiskalte Oberaufseherin mit der Kinderstimme, die sie Liliput nannten.
In »Es wird wieder Tag« erzählt Minka Pradelski die zutiefst tragische und berührende Geschichte von Klara, verbindet sie mit Bärels ebenso allwissendem wie frechem Säuglingsblick auf die Welt und dem rauen, zupackenden Temperament Leon Brombergers zu einem bewegenden Panorama. Kenntnisreich und mit viel Feingefühl leuchtet Pradelski die Zwischenwelt aus, in der sich ihre Figuren in der Nachkriegszeit befinden: Dem Tod genauso nah wie dem Leben, ringen sie um eine Zukunft.

DER ERSTE SATZ
Am Tag meiner Geburt hatte ich bereits verloren.

MEINE MEINUNG
Dieses Buch hat mir eine Kollegin zum Lesen gegeben und ich war sehr gespannt darauf vor allem, da ich mich sehr für die NS-Zeit interessiere (einfach weil es für mich komplett unvorstellbar ist, wie ein ganzes Volk so umgepolt werden konnte, dass es zu solchen Gräueltaten fähig war).
Klaras Geschichte ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil wird aus der Sicht ihres neugeborenen Kindes erzählt- eine äußerst groteske Perspektive, in die ich erstmal hineinfinden musste, da dieser Säugling einen messerscharfen Verstand besitzt, extrem überheblich ist und auf zynischste Art und Weise alles kommentiert. Hier erfolgt auch Klaras Zusammenbruch ausgelöst durch einen Trigger der alle verdrängten Erinnerungen hochkommen lässt (das sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung ist irgendwie logisch), sodass man nun im zweiten Teil, direkt aus Klaras Perspektive erfährt, was ihr in den Konzentrationslagern widerfahren ist. Anschaulich beschreibt die Autorin das Leid, die Angst, die Abhängigkeit von ihren nicht-jüdischen Mitmenschen, denen Klara hilflos ausgesetzt ist. Dieser Teil hat mich besonders in seinen Bann gezogen, denn unsere Protagonistin ist ein sehr willensstarker Mensch, der alles daran setzt, zu überleben.
Der letzte Teil befasst sich mit den Erinnerungen ihres Mannes, wobei dieser bei mir nicht wirklich mit Sympathie punkten konnte, auch wenn er sich um Klara kümmert, nachdem sie zusammenbricht und sie dazu bringt, sich ihren Schmerz von der Seele zu schreiben.
Was  mich aber am meisten gestört hat, war der Schreibstil. Eigentlich bin ich ein großer Fan davon, wenn sie jemand bildlicher Sprache bedient, bewusst Stilmittel einsetzt aber hier erschien es mir an manchen Stellen zu sehr gewollt, beinahe künstlich. Insbesondere bei den Kapiteln aus der Sicht des Babys war dies der Fall, wobei ich aber auch Probleme mit dieser extrem ungewöhnlichen Erzählperspektive hatte.

FAZIT
Ein außergewöhnliches Buch, das mir gut gefallen hat, auch wenn ich meine Probleme mit einigen Punkten hatte. Nichtsdestotrotz hat Minka Pradelski mit »Es wird wieder Tag« eine Geschichte erzählt, die sich damals genau so hätte zutragen können und wir sollten uns an diese Zeit bewusst erinnern, eben um zu verhindern, dass es je wieder dazu kommen wird.
3,5 / 5 Herzchen

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