Samstag, 5. März 2022

Opus 77 (Alexis Ragougneau)

Opus 77 (Alexis Ragougneau)
217 Seiten | € 22,00 [D] | Hardcover | 5 Herzchen
Verlag: Unionsverlag | pustet.de

 INHALT
Auf der Beerdigung ihres Vaters hält Ariane am Flügel inne, die gefeierte Konzertpianistin, belauert von der Trauergesellschaft. Eine dröhnende Pause, ein langes Atemholen, und Ariane setzt an – zu Schostakowitschs »Opus 77« und zu der Geschichte ihrer Familie. Ihr Vater, der große Dirigent, der Maestro, übermächtig in Orchester und Familie. Ihr Bruder, Geigenvirtuose, das blasse Gesicht verborgen hinter schwarzen Locken. Ihre Mutter, ehemals leuchtend, nur noch ein schwacher Schatten. Und sie selbst, verdeckt von der perfekten Inszenierung der unnahbaren Pianistin.
Vom einsamen Gesang steigert sich Arianes Opus zu einem dämonischen Tanz, der die Ruhe zerreißt und die Missklänge der Vergangenheit aufwirbelt.

DER ERSTE SATZ
Aber Schweigeminuten dauern ja, wie Sie wissen, nie voll sechszig Sekunden, genauso wenig wie Minuten stillen Gedenkens bei einer Beerdigung in einer Genfer Basilika.

MEINE MEINUNG
Als mir meine Kollegin dieses Buch zum Lesen gegeben hat, war ich zunächst sehr skeptisch. Eine Familiengeschichte, beginnend mit dem Tod des Vaters, wirklich? Jedoch war ich neugierig auf die Geschichte, da klassische Musik zu der ich eine hohe Affinität habe, eine zentrale Rolle spielt. 
Während der Trauerfeier ihres Vaters lässt die Protagonisten Ariane sämtliche Kindheitserinnerungen Revue passieren. Schon direkt zu Beginn ist auffallend, dass sie nicht nur die Leser*in anspricht, sondern vor allem auch ihren Bruder David, dessen Beziehung im Laufe des Romans immer näher beleuchtet wird. Nach und nach wird klar was für eine innige Verbindung sie zu ihm hat. Das gesamte Familienverhältnisse hingegen, ist von Leistungsdruck, Destruktivität und Instabilität geprägt. Nichtsdestotrotz entwickeln sich beide Kinder zu aufstrebenden Musiker*innen. Interessant war hierbei zu sehen, wie Ariane das ganze Geschehen wahrnimmt- zum Teil distanziert, zum Teil so sehr involviert, dass sie stets in eine Abwärtsspirale zu stürzen droht. 
Die Sprache des Autors ist dicht, erzählgewaltig, voller Metaphern aus dem musikalischen Bereich. Besonders war auch die Einteilung der Kapitel: wie in Schostakowitschs Opus 77 benennt er diese nach den vier Sätzen des Violinkonzerts um das sich letztendlich alles dreht, das so oft Wendepunkte in Arianes und Davids Leben markiert hat.
Man mag zuerst denken, dass es vor allem um die Vater-Tochter-Beziehung geht, es ist aber vielmehr ein Aufarbeiten einer Geschwisterbeziehung.
David war stets der Fixpunkt in Arianes Leben, in dem sie auch ihre verschiedenen Stationen ihres Lebens festmacht und dann, als er sich zurückzieht, ist Ariane davor auch ihren Halt zu verlieren.
Dieses Buch hat eine ganz besondere Atmosphäre, die ich nur schwer in Worte fassen kann. Einerseits schwingt stets die Liebe zur klassischen Musik mit, andererseits das Gefühl von Melancholie und Verlust sowie einer unsichtbaren Bedrohung, die sich nach und nach offenbart. Und was zu Beginn nur angedeutet wird, der »Skandal«, zeigt, woran diese Künstlerfamilie letztendlich zerbrochen ist.

FAZIT
Ein absoluter Geheimtipp und definitiv ein Buch, das mir im Gedächtnis bleiben wird. Ganz große Leseempfehlung für alle, die ein außergewöhnlichem Buch suchen, das nicht nur durch seinen grandiosen Schreibstil überzeugt.
5 / 5 Herzchen

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