Vladimir (Julia May Jones) 352 Seiten | € 24,00 [D] | Hardcover | 4 Herzchen Verlag: Blessing | pustet.de |
INHALT
Sie ist Ende fünfzig, Literaturprofessorin an einem kleinen College an der amerikanischen Ostküste und beliebt bei ihren Studentinnen. Seit dreißig Jahren ist sie mit John verheiratet, der am selben College unterrichtet. Sie war immer stolz darauf, mit John eine offene Beziehung zu führen, intellektuell, finanziell und emotional unabhängig zu sein. Als John jedoch seine Suspendierung fürchten muss, weil eine der vielen Studentinnen, mit denen er im Laufe der Jahre eine Affäre hatte, ein Verfahren gegen ihn angestrengt hat, gerät das Wertesystem der Ich-Erzählerin ins Wanken: Ihre Studentinnen und ihre Tochter fordern sie auf, sich zu trennen, die Fakultät möchte sie beurlauben. In dieser Situation trifft sie Vladimir Vladinski - ein 20 Jahre jüngerer Kollege und gefeierter Romanautor - und entwickelt für ihn eine folgenschwere Obsession.
DER ERSTE SATZ
Obwohl ich Vladimir bereits gesehen hatte und ihn hatte sprechen hören- im Postgraduiertenseminar, beim Bewerbungslunch und auf der Klausurtagung des Fachbereichs-, hatte ich bis zum Herbstsemester keine Gelegenheit gehabt, mehr als ein paar Worte mit ihm zu wechseln.
MEINE MEINUNG
Was ich von diesem Buch erwartete? So genau kann ich das gar nicht sagen. Vermutlich eine hoffnungslose(?), eventuell krankhafte Romanze, einen Konflikt zwischen Leidenschaft und Loyalität.
Doch stattdessen zeichnet sich ein Bild einer Frau, die sich ihres Älterwerdens bewusst ist, den alten Zeiten hinterher trauert und sich mit ihrem eigenen Begehren, Verlangen und Eheleben auseinandersetzt. Denn was bedeutet es, mit einem Menschen verheiratet zu sein und ein Arrangement getroffen zu haben, bei dem Treue keine Rolle spielt? Es geht hierbei nicht um spießige traditionelle Werte, sondern wie man bei eventuellen Fehltritten involviert ist.
Die Protagonistin erlebt hier eine indirekte Diskriminierung am Arbeitsplatz, soll für die Fehler ihres Ehemannes geradestehen. (Warum wird hier direkt Schuld zugewiesen? Inwiefern waren es Fehler und Machtmissbrauch? Der Prozess wird nicht näher beleuchtet, sodass man hier als Leser hier abwägen muss, welche Perspektive man einnehmen möchte).
Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm, sodass man leicht in den Lesefluss kommt und nach und nach miterlebt, wie der Protagonistin nach und nach alles entgleitet und wie sie aber gleichzeitig in dieser Obsession, einer beinahe jugendlichen Schwärmerei für Vladimir aufblüht.
Besonders gut hat mir gefallen, dass die Rolle einer Frau in der Gesellschaft thematisiert wird, beleuchtet unter dem Aspekt des Alters. Jung= begehrenswert?, Mutter= Selbstlosigkeit?
Auch wenn die Protagonistin sehr eitel erscheint, spricht sie die Gedanken aus bzw. handelt nach diesen, die meisten Menschen wortlos herunterschlucken. Wie kann ich wieder/noch attraktiver werden? Wie kann ich selbst-destruktiv handeln um für einen Abend den Schwierigkeiten und Problemen des Alltags entfliehen?
Jedoch hätte ich gerne noch etwas mehr über die Beziehung zu John erfahren um ihre tatsächliche Dynamik besser einschätzen zu können. Ist ihre Ehe wirklich schon seit langem am zerfallen? Ist es die Macht der Gewohnheit?
Des Weiteren kamen einfach zu wenig Szenen MIT Vladimir und viel mehr ÜBER, sodass mir das Ausmaß der Obsession etwas Unverhältnismäßig erschien. Außerdem hat es mir etwas zu lange gedauert bis der Stein so WIRKLICH ins Rollen kam. Nicht, dass das Buch gezogen hätte, sondern ich hätte mir eine »bessere» Steigerung gewünscht. So kamen die alles veränderten Szenen zwar nicht unerwartet, aber dennoch plötzlich.
Das Ende hat nochmal alles in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen, zu einem die Selbstwahrnehmung der Protagonistin als auch die Beziehung zu ihrem Mann. In gewisser Weise ist das Schicksal im Anbetracht der Ereignisse doch sehr ironisch (und somit ein cleverer Schachzug seitens der Autorin!)
FAZIT
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